Mittwoch, 1. Dezember 2010

Video Games & Violence: Schwierigkeiten

Die Debatte um Computerspiele und die Beziehung zu Gewalt ist ein immer wiederkehrendes Thema. Sie wird mit viel Polemik geführt. Bestes Beispiel dafür ist eine Studie ...

von C. A. Anderson, auf die eine Stellungnahme von C. Ferguson folgt, die wiederum von der Forschergruppe um Anderson gekontert wird.
Die Studie von Anderson, der die Auffassung vertritt, dass Gewalt in Computerspielen einen schlechten Einfluß auf die Spieler hat,  hat den Titel: "Violent video game effects on aggression, empathy, and prosocial behavior in eastern and western countries: a meta-analytic review." Die Antwort von Ferguson et. al. heißt: "Much ado about nothing: the misestimation and overinterpretation of violent video game effects in eastern and western nations: comment on Anderson et al.".  Da ist im Titel gleich ein richtiger Haufen an Polemik enthalten, die Entgegnung von Anderson greift diese dann auch prompt auf: "Much ado about something: Violent video game effects and a school of red herring: Reply to Ferguson and Kilburn". 
(BTW: Kilburn ... der Name passt zum Thema ;-))
Haben Wörter wie "misestimation", "overinterpretation" und "red herring" etwas in Titeln von wissenschaftlichen Publikationen verloren? Na, vielleicht schon, dann ist das Ganze nicht so trocken und etwas mehr gewürzt.
Beide Seiten werfen einander methodische Fehler vor, es gibt keinen letztendlich von der anderen Seite akzeptierten Beweis, dass eine der beiden Positionen richtig ist.

Heute haben wir im Rahmen der Vorlesung "Video Games & Learning" versucht, einen Forschungsvorschlag zu diesem Thema zu erstellen. Dabei sind wir auf massig Probleme gestossen:
  • Wie lautet die Forschungsfrage? Ist das Ergebnis der Studie veröffentlichungsfähig, unabhängig davon, wie der Ausgang ist? Publish or Perish ;-)
  • Wie werden die zentrallen Begriffe definiert? 
    • Was wird als "gewalttätiges Verhalten" gewertet?
      • physikalische Gewalt?
      • gegen Personen?
      • gegen Sachen?
      • gegen digitale Personen?
  • Wie wird die Gewalt durch den Versuchsaufbau erfasst?
    • Wohl kaum durch Fragebögen? Wer gibt schon Gewalt zu?
  • Welche Computerspiele werden  gespielt?
    • Wie lange?
      • Reichen 20 Minuten aus? Wahrscheinlich nicht, denn 20 Minuten in einem Spiel, das man noch nicht kennt, kommen nicht zum Kern des Spiels
    • Ist der narrative Kontext wichtig für das Ergebnis? Also spielt man ein Spiel mit einer Mission? Oder eher ein Fantasy-Spiel ohne großen Realitätszusammenhang?
    • Sind die Waffen, mit denen die Gegner umgebracht werden, für das Ergebnis wichtig?
    • Welche Rolle spielt das Aussehen der Gegner?
  • Wie sieht eine Vergleichsgruppe aus?
    • Was macht diese Gruppe? Spielt sie andere Spiele? Sieht sie einen Film zum selben Thema? Wie werden dann die unterschiedlichen Einwirkungsdauern zwischen Film und Spiel gewertet?
  • Wie setzt sich diese Gruppe zusammen?
    • Wie kommt man an die Versuchspersonen?
  • Geringe Werte für Korrelationskoeffizienten allgemein in diesen Forschungsbereichen, es wird oft mit 0.3 oder geringer gearbeitet, einen solchen Korrelationskoeffizienten  bekommt man für beliebige Variablen hin - so behaupten einige. Wenn ich mich richtig erinnere, wird in der Keynote von Prof. Dörner gesagt: Eine Korrelation von 0.2 bedeutet, dass beide Variablen zu 96% von anderen Faktoren beeinflußt werden. Oft wird auch Korrelation mit Kausalität verwechselt. Das Beispiel war heute: Es gibt eine Korrelation zwischen der Anzahl der Kirchen und der Verbreitung der Prostitution in einer Stadt. Das heißt aber nicht, dass Kirchen Prostitution verursachen - oder umgekehrt, sondern beide Größen sind von einer dritten Größe abhängig: Nämlich der Einwohnerzahl einer Stadt.
  • Dann wird auch noch eingeworfen "The more control you have, the less authenticity you have."
Wow - alles ziemlich kompliziert. Da läßt sich die Debatte schon verstehen ... methodisch äußerst schwer und das Ergebnis von großer Tragweite.

Eine Forderung von Prof. Dörner: Erst mal herausfinden durch etnologische Forschung (d.h. mit den Leuten leben, Einzelfälle studieren) welche Attribute wichtig sein könnten und die dann genauer statistisch untersuchen...

1 Kommentar:

  1. Finde ich auch ausgesprochen interessant, so etwas mal im Ansatz anzudenken. Und da merkt man dann doch immer recht schnell, dass vorschnelle Meinungen rein subjektiver Natur sind und wenig zur Lösung/Auflösung der Sache beitragen.


    Zum Thema "Was für Wörter haben etwas in den Überschriften von Veröffentlichungen zu suchen": Es gibt auf Mendeley eine öffentliche Gruppe, die heißt "Creatively named research papers". Da lohnt es sich mal einen Blick rein zu werfen.

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