Mittwoch, 13. Oktober 2010

Uncanny Valley

Eines meiner Lieblingsthemen bei der Spielentwicklung ist das des Uncanny Valley.

Um dieses zu veranschaulichen trägt man in einem XY-Diagramm auf der X-Achse die steigende Ähnlichkeit mit dem echten Vorbild auf und auf der Y-Achse die Akzeptanz beim Betrachter. Erwarten würde man eine durchweg ansteigende Kurve oder Gerade nach dem Grundsatz: Mehr Ähnlichkeit mit dem echten Vorbild gibt mehr Akzeptanz. Also das Strichmänchen hat die wenigste Akzeptanz und das detailgetreue, vom Vorbild nicht mehr zu unterscheidende Bild hat die höchste Akzeptanz. Dem ist aber nicht so: Es gibt einen Punkt, an dem trotz steigender Genauigkeit die Akzeptanz abfällt. Erst wenn die Genauigkeit der Echtheit näher kommt, steigt auch die Akzeptanz wieder.



Das gibt Hoffnung bei der Computerspielherstellung: Es läßt sich auch mit geschickten Abstraktionen arbeiten, die vielleicht nicht soviel Aufwand (und damit Geld) kosten.

Ein ähnliches Phänomen konnte ich auch in einem Projekt, in dem Software hergestellt wurde, beobachten: Die Software entwickelte sich langsam von der Einzelproblemlösung zu einer Standardsoftware. Bei der ersten Version war die Bedienoberfläche mit wenig Aufwand relativ spartanisch gebaut worden. Nach einer Zeit wurde die Oberfläche durch eine professionell aussehende ersetzt. Jetzt hagelte es Fehlermeldungen auf uns ein, die Benutzer wurden unzufriedener, sie beschwerten sich über Fehler, die sie vorher (mit der alten Benutzeroberfläche) klaglos hingenommen hatten: Die professionelle Oberfläche vermittelte den Eindruck einer professionellen Software. Die darunterliegende Software hatte aber nun einmal Fehler, einfach weil die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichte, um alle Fehler zu korrigieren bzw. Fehler beim Einsatz der Software toleriert werden konnten, ohne großen Schaden anzurichten. Auch hier ist also die Akzeptanz mit steigender Professionalität nicht angestiegen, sondern erst einmal gefallen.

3 Kommentare:

  1. Wenn man sich die Sieger bei den Independet Games Festivals ansieht, findet man dort auch eine ganze Menge überzeugender Spielkonzepte bzw. umgesetzter Spiele, die oft auch mit einer sehr begrenzten Grafik aufwarten. Dem Spielspass tut das trotzdem keinen Abbruch.

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  2. Thomas, Du hattest doch auch ein Beispiel aus der Architektur, bei dem klar, dass mehr Aufwand/Genauigkeit nicht gleichzeitig bessere Akzeptanz bedeutet?!

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  3. Ja, Du hast recht. Da habe ich in dem Moment gar nicht dran gedacht. Im Architekturbereich passiert es mit den heutigen realistischen 3D-Modellierungen schnell, dass man anfängt über die Farbe des Klinkers zu diskutieren als über das Gebäudekonzept oder entwurfliche Dinge.

    Bei grafischen Darstellungen hat man dieses Problem nicht. Dort wird beim ersten Blick klar, dass es eine Abstraktion ist, die auch entsprechend behandelt wird. Also ganz ähnlich wie die Sache mit der Benutzeroberfläche, die Du beschrieben hast.

    Ich denke, wenn man eine Visualisierung schafft, ob als Darstellung einer wirtuellen Welt, die Benutzeroberfläche eine Computerprogramms oder die Darstellung eines Gebäudentwurfs, muss man sich bewusst für ein bestimmtes Niveau an Abstraktion oder Realität entscheiden. Je nachdem auf welcher Ebene man mit anderen darüber kommunizieren möchte.

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