Mittwoch, 22. September 2010

Lernen durch Spielen?

Lernen durch Spielen hört sich erst einmal abenteuerlich an, eigentlich zu gut um wahr zu sein. Wie werden mathematische Formeln denn durch Spielen verbreitet? Es bleiben viele Fragen und noch mehr Skepsis ...
Heute haben wir einen Artikel gelesen, der einige Argumente liefert, wieso es doch gelingen sollte spielerisch zu lernen. Es ist der Artikel "Learning by Design: good video games as learning machines" von James Paul Gee. Gee ist einer der Pioniere auf dem Feld des Game Based Learning, und bekannt durch sein Buch "What Video Games Have to Teach Us About Learning and Literacy"

Eine seiner Grundbeobachtungen ist, dass wirklich komplexe Computerspiele mit hohem Lernaufwand oft geradezu verschlungen werden. Er hat versucht Gründe zu finden und ist dabei auf Lernprinzipien gestossen:
  • Co-Design:
    Lernen wird dadurch unterstützt, dass der Lernende aktiv etwas gestalten kann. Dies ist in Computerspielen möglich: Sie sind interaktiv und ermöglichen die Einwirkungen des Spielers.
  • Anpassbarkeit
    Es gibt verschiedene Typen von Lernen, wenn sich das Lehrmedium darauf einstellen kann, haben es einige Lerner leichter. Computerspiele machen dem Spieler ein Angebot, sie bieten ihm eine Auswahl. Oder sie werden gleich so gebaut, dass sie unterschiedliche Strategien für unterschiedliche Typen bieten.
  • Identifikation
    Lernen geht am besten, wenn sich der Lernende mit dem zu lernenden identifiziert. Das geht natürlich gut mit Computerspielen, in denen Kunstwelten nach dem Geschmack des Spielers erschaffen werden.
  • Einfluß und Abstraktion
    Es wurde gezeigt, dass Aktivität und Erkenntnis miteinander verbunden sind. In Computerspielen kann Aktivität größere Auswirkung erzeugen, wenn Werkzeuge genutzt werden, die der Spieler nur bedienen muss, von denen er aber nicht wissen muss, wie sie intern funktionieren (Es wird abstrahiert) ... Aktionen erzeugen dann Ereignisse, aus denen gelernt werden kann.
  • Probleme mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad
    Einem Lernenden sollten Problem in der Reihenfolge ihrer Schwierigkeit dargeboten werden. Man sollte zuerst die Regel zeigen, und dann die Ausnahme. Diess Prinzip läßt sich in Computerspielen sehr gut verwirklichen.
  • Fordernd, aber nicht überfordernd
    Probleme sollten den Lerner fordern, aber nicht überfordern. Er sollte immer Hoffnung haben, das Problem lösen zu können. Spiele können sich hierauf einstellen, indem sie einen passenden Schwierigkeitsgrad wählen bzw. indem der Spieler die einfachen Dinge schnell abschließen kann.
  • Lernschleife
    Lernen vollzieht sich ín Schleifen: Erst werden neue Fakten aufgenommen, und diese werden dann solange geübt, bis sie automatisiert sind. Dann werden neue Fakten gelernt, und es entsteht ein neuer Durchlauf. Diese Schleife auch in Computerspiele einzubauen sollte möglich sein.
  • Informationen bei Bedarf
    Fakten in Lexikonform werden nur sehr schlecht von Menschen gelernt. Besser lernt es sich, wenn einem die Informationen gerade im Moment ihrer Verwertung zugänglich sind. Das läßt sich prima in Computerspiele einbauen.
  • Laborversuche I
    Um bestimmte Prinzipien lernen zu können, wird nicht die komplette Umwelt benötigt, sondern nur bestimmte Dinge aus dieser. Das vereinfacht das Lernen erheblich. Computerspiele bieten die Möglichkeit, eine Art Laborversuch nachzubilden, in dem nur die für das Ergebnis wichtigen Dinge zum Einsatz kommen.
  • Laborversuche II
    Die Versuche finden im Labor statt, d.h. die Versuche können fehlschlagen ohne Auswirkung auf die Umwelt. Wenn etwas im Spiel schief läuft, dann ist auch nicht die Umwelt betroffen, es können also "echte" Erfahrungen gemacht werden, ohne "echte" Risiken auf sich zu nehmen. Das fördert das Lernen ungemein, denn es dürfen Fehler gemacht werden, und aus Fehlern lernt man besonders gut.
  • Fähigkeiten als Werkzeuge
    Fähigkeiten werden ungerne abstrakt, ohne konkrete Notwendigkeit gelernt. Gibt ein Spiel jedoch eine Aufgabe vor, für die man bestimmte Fähigkeiten beherrschen muss, dann ist die Motivation des Spielers hoch, sich diese Fähigkeiten auch anzueignen.
  • Systemdenken
    Wenn man das gelernte in ein Gesamtsystem einordnen kann, lernt man besser, isolierte Fakten bleiben nicht so im Hirn hängen. Man muss das Gelernte auch anwenden können (hat schon der Schatz gesagt). Computerspiele bilden den Rahmen für ein System.
  • Erfahrungen
    Der Mensch hat im Gehirn nicht Definitionen und Prinzipien gespeichert, sondern was hängen bleibt sind Erfahrungen. Denkt man beispielsweise an "Hochzeit", dann kommen bestimmte Erinnerungen hoch, aber bestimmt nicht die gesetzlichen Grundlagen und Normen einer Hochzeit. Spiele sind stark darin, Erfahrungen zu liefern - das ist eine ihrer ureigensten Aufgaben.
Gee meint: Je mehr dieser Prinzipien in ein Spiel einfliessen könne, desto besser kann es lehren.

Puuh, das ist ja jetzt ziemlich theoretisch geworden, und ich bin mir auch nicht sicher, dass ich jedes Detail getroffen habe, aber ich denke, dass in Spielen ein großes Potential für die Lehr steckt. Gee sieht da noch Probleme in den Köpfen, und auch in den Kosten: Ein Spiel nach diesen Prinzipien zu entwerfen, kostet ziemlich viel Zeit und damit auch Geld ....

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